Folge 7 I Hilfe, mein Hund gehorcht mir nicht! – Tipps

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Marlene Marlow

Hilfe, mein Hund gehorcht mir nicht! – Tipps

Tricks / Konditionierung / Lernen /

Beim Durchqueren des Parks.
Mann mit jungem, kurzbeinigem Terrier-Mix.
Mensch-Hund-Team versucht sich an einer niedrigen Schwebebalkenkonstruktion. Genauer, der Mensch möchte, dass der Hund auf den Balken springt. Der Hund sieht das anders und geht immer wieder an der Seite am Balken vorbei auf seinen Menschen zu.
Mensch beugt sich runter, schiebt sich den Hund zurecht, so dass dieser wieder an der schmalen Seite des Balkens sitzt. Hund quiekt, zeigt Meideverhalten, duckt sich weg und wendet den Kopf ab.
„Aua.“ Mein Einsatz. „Kann ich euch helfen?“
„Ich möchte“, sagt der junge Mann, „dass er auf dem Balken balanciert, das macht er auch, aber nicht an der Leine und nur mit Leckerlies. Aber ich möchte die Leckerlies jetzt weg lassen!“
Bevor ich hinterfrage, warum er Futter als Anreiz und Belohnung weg lassen möchte, sage ich ihm erst einmal etwas Konstruktives:

„Als erstes achte auf Deine Körpersprache. Wenn Du Dich über ihn beugst in dem Moment, wenn er auf den Balken springen soll, machst Du den Weg für den Hund zu und schickst ihn gleichzeitig von Dir weg, weil Du ihn in seinen Augen körpersprachlich bedrohst.“
Mann versucht es, aber es klappt nicht. Mann, “Er will immer nur schnüffeln.“ Ich, „Wie alt ist er?“ „Ein halbes Jahr.“ „Ahhhhh, Pubertät. Dann ist er jetzt, bei all den Dingen um ihn herum, bei so vielen Reizen, sehr an seiner Umwelt interessiert, mehr als daran, auf einem Balken zu spazieren.“
„Er will immer nur schnüffeln!“ sagt der Mann mit verzweifletem Unterton. „Ja, genau, das ist eines seiner biologische Bedürfnis, die musst Du bedienen, auch und gerade, wenn Du etwas von ihm möchtest. Du musst also in seinem Bedürfniskontext mit ihm arbeiten.“ Diese Aussage konnte, ohne Vorkenntnisse des Menschen, von diesem natürlich nicht verstanden werden und ich sah die Fragezeichen in seinen Augen, die prompt zu einer Übersprungshandlung beim ihm führten: Mensch lässt Hund von der Leine!
Dieser, der Hund, nicht der Mensch, springt sofort über einen der anderen niedrigeren Balken, ist in zwei Sätzen an der angrenzenden Hecke und schnüffelt an einem Busch. „Siehst Du, er kann darüber springen, er will aber nur schnüffeln, ich will aber , dass er balanciert.“ Ich, „Warum?“ Er, „Na, das macht ihm doch Spass, das macht er doch mit Leckerlies sonst auch, aber ich will, dass er es jetzt ohne Leckerlies macht.“ Dazu gibt es jetzt so viel zu fragen und zu sagen. Zur Sicht auf den Hund, zum Alter des Hundes, zur Pubertät, zum Bedürfnis-Kontext, zur Beziehung zum Hund. Aber dies ist weder die Zeit, noch der Ort und ich habe mich eh´ schon aus dem Fenster gelehnt mit meiner Kontaktaufnahme. Ich sage noch etwas freundliches, der Mensch bedankt sich für den Tip hinsichtlich Körpersprache und ich verabschiede mich.

Womit haben wir es hier zu tun?
Was können wir lernen?

Zwei Stichworte,
zum einen, „(Biologisches/Emotionales) Bedürfnis des Hundes“, zum anderen, „Dem Hund Verhaltensabläufe/Tricks beibringen“.

Ein Bedürfnis des Hundes unterliegt allem, was der Hund an Verhalten aus sich heraus, zeigt. Also, zeigt der Hund ein Verhalten, gibt es dafür einen Grund, ein Bedürfnis, welches er in diesem Moment befriedigen möchte, bewusst oder unbewusst. So verkürzt ist dies sicher keine Definition, die eine Verhaltensbiologin durchgehen lassen würde. Aber damit arbeiten wir erst einmal.

Ein Beispiel:
Sehr schön zeigt der Hund aus unserer Geschichte ein solches (biologisch) Bedürfnisses, wenn er in einem Moment freiwillig über den Balken springt, um zum Gebüsch zu laufen, damit er an einem Strauch schnuppern kann. Er kann also sehr wohl über einen Balken springen (und sicher auch auf diesem balancieren), wenn es ihm notwendig erscheint. Die Gründe dafür liegen, wie gesagt, in seiner Biologie. Welche können das sein? Der Hund aus unserer Geschichte ist jung, in der Pubertät! Da interessiert er sich für ALLES im Aussen. Für das andere Geschlecht (Hey, wer bist denn Du?“), für ein Blatt im Wind („Oiu, kann ich das jagen?“), für neue Menschen („Hey, willst Du mein Freund sein?“), die Hormone spielen verrückt und er will sich ausprobieren. Vermutlich hat ein Geruch ihn animiert zum Gebüsch zu laufen und der Balken lag im Weg und musste sozusagen übersprungen werden, um zum Gebüsch zu gelangen. Dieses Prinzip des „um-zu“ merken wir uns. „Ich tue etwas, um ein Bedürfnis zu befriedigen.“

Was sind Tricks?

Tricks sind Dressur.
Es sind Verhaltensweisen, die ein Hund von sich aus, in dem Kontext, nicht zeigen würde.
Ein Beispiel:
Ein Hund kann auf dem Boden robben, wenn er unter einem Zaun hindurch will. Dieses Verhalten jedoch auf einer Wiese zu zeigen, auf das Signalwort „Robben.“ seines Menschen hin, das ist ein „Trick“, das ist Dressur. Wir können dem Hund das Signal geben diese Dinge zu tun und er wird sie auch sehr gut ausführen, wenn wir gut geübt haben. Aber es ist kein ureigenes Bedürfnis von ihm, mit für ihn biologischer Sinnhaftig- oder Notwendigkeit in diesem Zusammenhang. Denn worin besteht für ihn der Sinn auf einer Wiese zu robben, nur auf unseren „Befehl“ hin? Auch Verhalten wie „Sitz.“, „Platz“, Bleib.“, selbst das Laufen an der Leine, sind, laut definitionem, Dressur. Nämlich dann, wenn sie in dem Moment nicht intrinsisch motiviert sind.
Kleiner Exkurs:
Das entspannte Laufen an der Leine.
Es ist durchaus ein biologisches und emotionales Bedürfnis des Hundes sich im Dunstkreis seiner sozialen Gruppe aufzuhalten und dieses Bedürfnis können wir für das Leinenführigkeitstraining nutzen. Dazu bedarf es des Aufbaus einer guten, vertrauensvollen Beziehung zum Menschen, in der der Mensch die Schutz und Sicherheit gebende Funktion erfüllt.
Das hat dann nichts mit Dressur zu tun und beschreibt meine Herzensangelegenheit.
Alles dazu hier im Blog, auf meiner Hundetrainerinnen-Seite und im praktischen Training mit mir.

Zurück zur Dressur. Wie kriegen wir es hin, dass der Hund etwas für uns tut, was in diesem Moment für ihn sinnfrei ist?
Dazu müssen wir ein (biologisches/emotionalles) Bedürfnis, welches der Hund hat, in dem Moment befriedigen, wenn er das Verhalten zeigt, was wir (und NUR wir, nicht er) von ihm möchten. Für den Beginn bedarf es eines Anreizes für den Hund, welcher einen Wert, im biologischen Sinne, hat, dieses Verhalten zu zeigen. Im Verlauf des Trainings muss dieser Anreiz, der ein Bedürfnis des Hundes befriedigt, dann immer wieder als Bestätigung des von uns erwünschten Verhaltens gezeigt werden.

Futter und Lob

Hier in unserer Welt sind dieser anfängliche Anreiz und die spätere Bestätigung für das Verhalten: Futter und Lob.
Von aversivem Training wie es üblich war und teilweis noch ist, in dem der Hund Dinge aus Angst tut oder die „ Belohnung“ darin besteht, einem Schmerz zu entkommen, darüber spreche ich jetzt hier nicht. Sprechen wir also über Futter und Lob als Anreiz für den Hund etwas zu tun.
Futter bedient ein biologisches Bedürfnis, denn Nahrungsaufnahme sichert das Überleben. Lob, also Anerkennung meiner sozialen Gruppe, hat auch eine hohe Wertigkeit. Anerkennung sichert die Dazugehörigkeit zu dieser Gruppe und auch das kann überlebenswichtig und dadurch biologisch und auch emotional absolut hochwertig sein. Du siehst, beide Arten der Belohnung sind für den Hund wertvoll, weil sie ein Bedürfnis befriedigen. Etwas (für uns) zu tun, um an diese Belohnungen zu gelangen, ist also für den Hund sinnvoll. Hier haben wir das erwähnte Prinzip: „um-zu“. Eines von beiden (Lob/Futter) oder beides dauerhaft eingesetzt, wenn der Hund ein Verhalten zeigt, wird dieses Verhalten verstärken.
Der Hund wird dieses Verhalten öfter, auch auf ein Signal-Wort hin, also ein „Kommando“, zeigen. Das ist ein trainierter Verhaltensablauf, das ist Dressur. Das ist Konditionierung. So werden Tricks erarbeitet.

Was ist schief gelaufen?

Was ist also bei unserem jungen Freund aus der Geschichte schief gelaufen, warum zeigt der Hund nicht das gewünschte Verhalten? Es gab für den Hund keinen Anreiz, kein biologisches oder emotionales Bedürfnis, welches der Mensch in dem Moment befriedigt hat. Einfach nur, für uns, auf einen Balken zu springen, ist für den Hund sinnlos und zu recht. Befriedigt es doch kein Bedürfnis des Hundes. Der junge Mann möchte, dass sein Hund das Balancieren ohne Futter-Anreiz zeigt? Das ist für den Anfang dieses Trainings nicht möglich. Um mit einem „Hopp“ selbstständig auf den Balken zu springen, muss der Hund erst einmal verstehen, was der Mensch von ihm möchte. Da es sich um Dressur handelt, muss der Handlungsablauf kleinschrittig aufgebaut werden und jeder Schritt wird mehrmals geübt und muss mit Futter belohnt werden.
I.) Schritt:
1. Das Futter wird gezeigt.
2. Der Hund wird mit dem Futterstück derart gelockt, dass er die Vorderpfoten auf dem Balken stellt, dafür wird er mit dem Futter belohnt.
3. Er wird mit dem Futter soweit gelockt, dass alle vier Pfoten auf dem Balken sehen. Dann darf er wieder herunterspringen.
u.s.w.
Es gibt viele Möglichkeiten, die einzelnen Schritte eines Tricks aufzubauen.
Unabdingbar sind Futter und Lob. Der Mensch in unserem Beispiel hat sich gewünscht, dass er das Futter jetzt ausschleichen kann und sich erhofft, das sein Hund „für ihn“ auf dem Balken balancieren möchte. Nein. Warum sollte er? Diese Denkweise verkennt die Natur des Hundes und ist deshalb unfair ihm gegenüber. Zur Ehrenrettung des Menschen, es war unter Garantie kein schlechter Mensch oder bewusst bösartig, sondern einfach nur ein Ersthundebesitzer, der dies noch nicht wusste.

Wissen und Aufklärung sind aktiver Tierschutz

Umso wichtiger ist Aufklärung, damit sich keine Unzufriedenheit bei Hund und Mensch einschleichen. Dieser Hund sieht situativ keinen Sinn im Balancieren und der Mensch wusste (noch) nicht, dass es völlig korrekt ist, dass der Hund so denkt und der Fehler bei ihm liegt, er tatsächliche einen Anreiz liefern muss.Die, die mich kennen wissen, bin ich kein Fan von Tricks, also Dressur. Es hat nichts mit Erziehung zu tun und bringt kaum etwas für die Beziehung. Zum Unterschied zwischen Dressur und Erziehung demnächst der Artikel, „Dressur oder Erziehung? – Haben oder Sein? – Wie unsere Weltsicht das Leben unseres Hundes prägt“. Ich will nicht in Abrede stellen, dass auch die Beschäftigung mit dem Hund während ich ihm einen Trick beibringe etwas zum Aufbau einer Beziehung beitragen kann. Die reine Beschäftigung miteinander an sich, kann dies durchaus.
Vorausgesetzt ich bin dabei,
– unendlich geduldig,
– freundlich,
– genau in Körpersprache und Timing und im Lesen des Hundes, um sehen zu können, wann ich ihn überfordere, er keine Freude mehr an dieser Art der Beschäftigung hat.
Ich höre schon die Stimmen, die sagen,“… aber, mein Hund liebt Agilty.“ Ist dem so? Was ein Hund am Start des Parcours zeigt, ist aufgeregtes adrenalin-, dopamin- und endorphin gesteuertes Verhalten, wie es die schnelle Wiederholung von Handlunsabläufen fördert. Das ist keine Freude. Das ist Sucht.
Zurück zum Balancieren, ja, gerne, bring Deinem Hund das Balancieren auf einem Baumstamm bei.
Gib ihm einen Anreiz und eine Belohnung in Form von Futter und Lob. Sei dabei unendlich geduldig, freundlich und genau in Körpersprache und Timing und im Lesen des Hundes, um sehen zu können, wann Du ihn überforderst und er keine Freude mehr an dieser Art der Beschäftigung hat.
Nutze das Balancieren für Halteübungen in denen der Hund entschleunigen kann.

Wenn die Beziehung stimmt …

Besonders schön ist balancieren oder jede andere Beschäftigung miteinander, wenn die Beziehung stimmt. Balanciere mit Deinem Hund zusammen im Wald auf einem Baumstamm wenn dieser auf eurem Weg liegt und es so auch für Deinen Hund Sinn macht auf diesen zu steigen. Du läufst vor und Dein Hund, weil er Dir vertraut, läuft hinter Dir her, denn er weiss, Du hast den Plan. Wenn er es schafft, dann lobe ich ihn über den grünen Klee und stärke so sein Selbstbewusstsein, wenn nötig. Ich betone hier, wenn nötig, denn, wenn ihr ein eingespieltes Team seid und Du es mit einem selbstbewussten Hund zu tun hast, dann reicht auch manchmal ein entspannter Blick zwischen euch und jede Exaltierheit Deinerseits trifft höchstens auf das Heben einer Augenbraue bei Deinem Hund. „Ich weiss, ich kann das gut. Aber, danke.“;-)
Mehr zur Sicht auf das Leben mit Hund demnächst in „Ein Leben mit Hund “.