Seit meinem zweiten Lebensjahr wollte ich mit einem Hund zusammen leben.
Vierunddreißig Jahre später war es soweit.
Ein Buch hatte ich ein Jahr bevor der Hund zu mir kam gelesen, die Hauptaussage:
eine ruhige, entspannte Art gegenüber dem Hund etablieren für eine ruhige, bestimmte Führung.
Okay, das macht Sinn, so machen wir das. Er kam im Alter von fünf Jahren aus dem Auslandstierschutz zu mir und hatte zu Beginn Angst vor seinem eigenen Schatten, wie ich als Laie dachte.
Er hatte Angst vor Männern, Kindern, Fahrrädern, anderen Hunden, Schirmen, Spazierstöcken. Um Menschen, die einfach nur auf der Straße standen, versuchte er immer einen großen Bogen zu machen. Er war extrem distanziert zu Menschen und Artgenossen und sehr schreckhaft. In geschlossenen Räumen war er noch unsicherer als im Freien. Er war umweltunsicher. Mit meiner Art Umwelt, der Innenstadt von Berlin, hatte er keine Erfahrungen gemacht. Er hatte eine erlernte Hilflosigkeit, die ihn in jeder Stresssituation zum Erstarren brachte. Auch gegenüber aufdringlichen Artgenossen war Erstarren seine einzige Strategie. Und, er benötigte eine riesige Individualdistanz, das heißt, er brauchte räumlich immer sehr viel Abstand zu Personen und Hunden und er mochte keine engen Räume. Wochen später, als er anfing aufzutauen, gestand mir meine Mutter ihren ersten Gedanken bei seinem Anblick, „Um Gottes Willen, da hat sich Marlene schon immer einen Hund gewünscht, und jetzt so etwas…!“ Ich habe das nicht eine Sekunde so gesehen. Er ist mein Hund und wir werden zusammen ein tolles Leben haben.
Intuitiv wußte ich, ich muss vorangehen, ich werde die Führung übernehmen und werde ihn beschützen. Meine Aufgabe ist es ihm jeden Moment des Tages zu vermitteln:
„Hey, das Leben ist schön, ich bin für Dich da, ich gehe mit Dir da durch!“
Zwei wunderbare HundetrainerInnen vermittelten mir während zweier Hausbesuche wertvolle Tips und
drei Monate nach seiner Ankunft, als er sich schon etwas eingelebt hatte, besuchten Benji und ich einen Grundgehorsamskurs in einer Hundeschule. Ich hielt mich, entgegen meiner damaligen Art, im Hintergrund, damit mein Hund keinen Stress hat. Nach einigen Wochen schloss Benji mit seinem, und auch nun meinem, ruhigen Stil als Klassenbester ab.
Noch heute, nach acht Jahren Zusammenleben ist es so, dass, wenn Bekannte von mir Benji länger als drei, vier Monate nicht gesehen haben, sie immer noch Fortschritte im Selbstvertrauen bei ihm wahrnehmen. Hunde lernen nie aus! Letztlich traf ich einen früheren Nachbarn, den ich fünf Jahre so gut wie nicht gesehen hatte, er war völlig überrascht und vermutete einen anderen Hund an meiner Seite, so groß ist Benjis Wesensveränderung mittlerweile.
Habe ich meinen Hund „trainiert“? – Ehrlich gesagt nicht.
Was ich meinem Hund beigebracht habe? – Vertrauen in die Welt.
Was er mir beigebracht hat? Unendliche Geduld, die aus Liebe zu ihm nicht eine Sekunde schwer zu erlernen war für mich, sozusagen, im Hinblick auf ihn, zu meiner zweiten Natur wurde, und, seine Anwesenheit in meinem Leben schulte mein Bewusstsein für ein anderes Wesen selbstlos da zu sein.
Ich freue mich darauf, Dich und Deinen Hund kennenzulernen.